Dies ist ein
Bericht, den ich für www.austauschschüler.de geschrieben habe. Es ist zugleich eine Art Zusammenfassung von meinem Auslandsjahr.
"Wieso willst du denn grade nach Finnland?" wurde ich immer wieder gefragt, als ich Freunden von meinem Wunsch, für ein Jahr nach Finnland zu gehen, erzählt habe. Jeder hatte seine eigenen Vorurteile gegen dieses Land im hohen Norden, auch wenn die Meisten zunächst an die Kälte und den Schnee denken mussten.
Vorbereitung und Ankommen
Bestärkt wurde ich in meiner Entscheidung nach Finnland zu gehen vor allem durch andere Austauschschüler, die ich auf dem Vorbereitungsseminar traf. Enlich traf ich auf Gleichgesinnte, die auch von so manchen für verrückt gehalten wurden. Gemeinsam lernten wir erste Worte der finnischen Sprache und mussten feststellen, dass sie wirklich sehr schwer ist.
Ein paar Monate später ging es dann los mit einem riesigen Koffer, der aber nur 20kg schwer sein durfte. Der Abschied selbst war nicht sehr traurig, ich wusste ja, dass ich wieder kommen würde. Außerdem war ich sehr aufgeregt und freute mich auf Finnland. Am Flughafen wurde ich von meiner Gastfamilie mit einem selbst gemalten Plakat empfangen, das heute noch in meinem Zimmer hängt (übrigens war ich 2008-2009 in Finnland):
Bei der Autofahrt zu meinem zukünftigen Zuhause waren alle recht schweigsam, erste Klichees hielt ich so für bestätigt. Andererseits war ich einfach überwältigt von dem vielen Neuen und konnte kaum glauben, tatsächlich in Finnland angekommen zu sein. Meine Gastfamilie hat ein großes Haus an einem See, vier Kinder, ein Hund und zwei Katzen. Die Nachbarn sind fast alle irgendwie mit ihnen verwandt (okay, sehr viele Nachbarn gibt es nicht).
Die ersten Tage waren sehr anstrengend und zugleich unheimlich aufregend und spannend. Ich war fasziniert von der finnischen Sprache und den finnischen Sitten. Überall traf ich auf neue Leute, dessen Namen ich mir erst Wochen später merken konnte, selbst wenn ich mit ihnen schon halbwegs befreundet war.
Die Schule war am Anfang sehr langweilig, ich habe fast nichts verstanden. Im Englisch- und Deutschunterricht war das anders, grade Deutschunterricht hat mir sehr viel Spass gemacht. Ich konnte mein Finnisch verbessern, anderen bei Deutsch helfen und vor allem Finnen kennen lernen. Wir haben teilweise sehr lustige Sachen durchgenommen, so stand etwa in unserem Deutschbuch, Deutsche würden sich vorwiegend mit Waschlappen waschen. Es war interessant zu erfahren, was für andere Klichees noch von Deutschland bestanden. Im Matheunterricht war ich dagegen am Anfang völlig aufgeschmissen. Wir hatten Vektorrechnung und ich habe einfach nichts verstanden.
Das Finnische Leben
Ein paar Monate später hatte ich mich schon sehr gut eingelebt. Finnsich konnte ich zwar immer noch nicht sprechen, aber ich konnte fast alles verstehen. In der Schule habe ich Kurse wie Spanisch belegt (eine sehr interessante Erfahrung, Finnisch ins Spanische zu übersetzen). Auch mit Mathe kam ich gut klar, es wurde zu einem meiner Lieblingsfächer. Aber ich habe sowieso nur Lieblingsfächer belegt, da ich ja frei entscheiden durfte, was ich belege. Pro Term, der in Finnland zwei Monate lang ist, konnte man vier bis sieben Fächer auswählen. Ich hatte meistens fünf Fächer und so von 9:30-14:00 Uhr Schule. Auch Freunde hatte ich gefunden. Es war aber sehr schwierig, die ersten Leute kennen zu lernen. Finnen sind nicht sehr aufgeschlossen gegenüber Fremden. Dafür findet man hier Freunde fürs Leben, denn ist erstmal das erste Eis gebrochen, sind Finnen sehr witzig, unterhaltsam und reden viel.
Das Leben in meiner Gastfamilie war teils schwierig. Ich, als ehemaliges Einzelkind, hatte auf einmal vier Geschwister. Es war meistens laut. Mit meiner älteren Gastschwester, die ungefähr in meinem Alter war, habe ich mich während des Auslandsjahres überhaupt nicht verstanden (inzwischen schon). Meine kleine Gastschwester hingegen hat mir sehr gut Finnisch begebracht, sie konnte eben nichts anderes, im Gegensatz dazu hat sie von mir ihre ersten Buchstaben gelernt. Mein älterer Gastbruder war zu beschäftigt mit seinem Computer und Motorrad um mit mir zu reden und der kleinere hatte sehr viel Spaß daran, mich und die kleine Schwester zu nerven. Meine Gasteltern waren super, sie waren bloß nicht oft Zuhause, kamen um sechs Uhr von der Arbeit und hatten abends oft noch etwas vor.
Reflexion
Die Zeit ist doch sehr viel schneller vergangen als mir lieb war. Ich bin viel herumgekommen, ich war mit Austauschschülern in Lappland, Skifahren mit meiner Gastfamilie, habe Tampere, Turku und Jyväskylä besucht (ich habe etwa 50km nördlich von Helsinki gewohnt) und war auf zwei Festivals im Sommer.
Es war eine super Zeit, natürlich nicht immer. Es gab auch Momente, wo ich am liebsten nach Hause gefahren wäre. Heimweh ist auch bei einem Superauslandsjahr ganz normal.
Im Herbst 2010 war ich wieder in Finnland. Es war spannend zu sehen, wie sich alle verändert hatten. Kurz danach war auch eine finnische Freunden hier in Deutschland und ist sogar mit mir zur Schule gegangen. Es war interessant zu hören, wie sie als Finnin die Deutschen beurteilt und die Situation einmal umgekehrt zu haben.
Mit den Meisten habe ich aber leider den Kontakt verloren. Auch von den zwei anderen Austauschschülern an meiner Schule (aus Australien und Honduras) habe ich lange nichts gehört. Mit meiner Gastfamilie werde ich aber wohl nie den Kontakt verlieren, sie waren auch schon zweimal hier.